Dieser Text wurde als Teil des Bildungspolitischen Blogs des Verbands der Studierenden der Universität Zürich geschrieben.


Auch wenn das Volk sich am 14. Juni gegen die vom Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) vorgeschlagene Lösung für ein gerechtes Stipendiensystem ausgesprochen hat, stellt die Stipendieninitiative alles in allestadtm trotzdem einen Erfolg dar. Mit der Stipendieninitiative hat es der VSS geschafft, ein Thema in den Fokus des politischen Diskurs zu bringen, das bisher eher ein Nischendasein gefristet hatte. Durch die Initiative wurden das Parlament und die Kantone gezwungen, sich mit den Ungerechtigkeiten der enormen willkürlichen Differenzen zwischen den Kantonen im Schweizer Stipendienwesens zu befassen. Als Folge davon sind bereits viele Kantone dem freiwilligen Stipendienkonkordat beigetreten oder haben ihren Beitritt beschlossen. Somit haben sie sich bereit erklärt, einen Teil der Forderungen der Initiative freiwillig umzusetzen. Das Parlament hat im indirekten Gegenvorschlag, auch wenn dieser in vielen Punkten zu wenig weit geht, einen grossen Teil des Konkordats für alle Kantone verbindlich gemacht. Mehrere Kantone haben ihr Stipendienwesen als Folge der Initiative bereits selbständig reformiert oder, wie der Kanton Aargau, eine Reform in Aussicht gestellt.

Die Kantone stehen in der Pflicht

Im Abstimmungskampf haben sich bürgerliche Politiker_innen aller Parteien und Bundesrat Schneider-Ammann wiederholt zum Stipendienkonkordat bekannt und beteuert, dass durch das Konkordat die Ziele der Stipendieninitiative bereits erfüllt würden. Das Volk ist am 14. Juni mehrheitlich ihrer Argumentation gefolgt und hat sich für diesen Weg der Harmonisierung entschieden. Der Ball liegt nun bei der bürgerlichen Parlamentsmehrheit und den Kantonen: Einerseits muss darauf hin gearbeitet werden, dass auch die acht Kantone, die dem Konkordat bisher nicht beigetreten sind, dies nachholen. Falls das nicht geschieht, muss diskutiert werden, wie der etwas zahnlose indirekte Gegenvorschlag, für den sich das Volk am 14. Juni entschieden hat, verschärft werden kann.

Andererseits muss darauf geachtet werden, dass das Stipendienkonkordat nun so umgesetzt wird, wie es eigentlich vorgesehen ist. In ihrer Ausgangsargumentation zum Stipendienkonkordat hat sich die Interkantonale Stipendienkonferenz (Fachgremium der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren) klar dafür ausgesprochen, dass der Bezüger_innenkreis auf 15%-20% der Personen in tertiärer Ausbildung erweitert werden muss, damit Chancengerechtigkeit im höheren Bildungswesen erreicht werden kann. Umsetzungen des Konkordats wie im Kanton Luzern, wo der Bezüger_innenkreis gar um einen Drittel verkleinert wurde, müssen deshalb unbedingt verhindert werden. Denn sie widersprechen klar der Vorgabe, welche dem Konkordat zugrunde liegt.
Weiter muss darüber nachgedacht werden, den, im Konkordat festgeschriebenen, Minimalbetrag von derzeit CHF 16’000 zu erhöhen. Ist es jemandem nicht möglich, neben der Ausbildung zu arbeiten, und kann diese Person nicht auf Unterstützung ihrer Eltern zählen, so stellen die Ausbildungsbeiträge die einzige Einnahmequelle dar und müssen deshalb sowohl für den Lebensunterhalt als auch für die Ausbildungskosten reichen. Angesichts des Schweizer Preisniveaus ist stark zu bezweifeln, dass hierfür CHF 16’000 genügen – egal in welchem Kanton.

Diskriminierung der höheren Berufsausbildung nach wie vor ungelöst

Ein Aspekt der Stipendieninitiative, der leider in der öffentlichen Berichterstattung kaum Beachtung fand, ist, dass sie zugleich eine Gleichbehandlung der höheren Berufsbildung gefordert hat. In den meisten Kantonen ist es derzeit so, dass im Stipendienwesen die höhere Berufsbildung massiv gegenüber der Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule diskriminiert wird. Personen, die sich nach einer Berufslehre an einer höheren Fachschule weiterbilden, haben in den meisten Kantonen ungeachtet ihrer finanziellen Situation einen viel geringeren Anspruch auf Ausbildungsbeiträge als Studierende, die nach dem Gymnasium eine Universität oder eine Fachhochschule besuchen. Hinzu kommt, dass die Ausbildungen an höheren Fachschulen teuerer sind und schnell mehrere tausend Franken kosten können. Diese Ungleichbehandlung hat zur Folge, dass viele junge Berufsleute nicht die Ausbildung machen können, die sie wollen und für die sie qualifiziert wären. Nachdem die Stipendieninitiative vom Volk abgelehnt wurde, bleibt dieses Problem weiterhin ungelöst.

Grossprojekt der Schweizer Studierendenschaften

Was nicht vergessen werden sollte: Die Stipendieninitiative stellte für die Schweizer Studierendenschaft ein Grossprojekt dar. Die Lancierung einer Volksinitiative ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Dass der VSS als eher kleiner Verband es geschafft hat, eine Volksinitiative zur Abstimmung zu bringen und eine Kampagne zu führen, ist eine Leistung, die nicht unterschätzt werden sollte. Der VSS hat damit bewiesen, dass er die nötigen Unterschriften für eine Initiative oder ein Referendum zusammen bringt und deshalb in der nationalen Politik eine Rolle spielt, die nicht einfach ignoriert werden kann.

Die Kampagne wurde zu einem grossen Teil auch von den Sektionen des VSS, also den lokalen Studierendenorgansiationen, wie dem VSUZH oder dem VSETH, getragen und hat dazu geführt, dass viele Sektionen näher miteinander zusammengearbeitet haben, als dies bisher der Fall war. Die Zukunft wird zeigen, ob die Initiative auf dieser Ebene einen nachhaltigen Effekt hat. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass diese Zusammenarbeit langfristig erhalten bleibt.